Moin zusammen,
ich dachte, ich plaudere hier auch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen.
Ich selbst bin 22 Jahre alt, männlich, habe Abitur und erlerne entgegen vieler Unkenrufe aus meiner damaligen Oberstufe seit 2012 den Beruf Fachkraft im Fahrbetrieb. Angestellt bin ich bei einem Mittelgroßem Betrieb (ca. 400 Angestellte, 3 Betriebsstellen, 150 eigene Busse) ohne Schienenverkehr in NRW. Meine Firma ist ein 100% Öffentlicher Betrieb. Bezahlung erfolgt nach Tarif TV-N, und mit den diversen Zuschlägen die die Firma zahlt, ist ein bequemes Leben als Auszubildender möglich. Netto sind im zweiten Jahr so oft sogar schon um die 800,- drin!
Nun liegen knapp 2/3 (bei Verkürzung) bzw. genau die Hälfte meiner Ausbildung hinter mir. Zurzeit befinde ich mich in der heißen Phase der Ausbildung, denn ich stehe unmittelbar davor im Fahrbetrieb eingesetzt zu werden. Dem absoluten Highlight dieser Ausbildung!
Entgegen vieler Berichte und Versuche den Beruf schlecht zu machen, möchte ich euch ein bisschen von meinen praxisnahen Erfahrungen berichten. Was mich etwas verwundert, ist der weitverbreitete Glauben das die Fachkraft im Fahrbetrieb, wessen Katastrophale Bezeichnung wohl ein Hauptgrund für die weitläufige Herabschätzung dieses Berufsbildes ist - außerordentlich unterschätzt ist.
Die Fachkraft im Fahrbetrieb ist wesentlich mehr als nur bloßes Busfahren. Ich hatte das große Glück in viele Abteilungen aktiv eingebunden zu werden und ein sehr breit gefächertes Aufgabenfeld zu bewältigen. Als Beispiel wie der Ausbildungsplan bei euch Aussehen könnte, bzw. so wie er bei mir war:
- Abonenntenbetreuung, kaufmännisch im Büro, ca. 1,5 Monate
- Kundencenter, der Beruf FiF als Dienstleister, ca. 2-3 Monate
- Marketing, leider nur eine Woche
- Fahrplan-/Dienst-/Umlaufplanung - bei gewissem Vorwissen und Interesse sehr spannend, ca. 4 Monate (+ 2 Monate nochmals am Ende der Ausbildung)
- Haltestellenservice, hier packte ich das erste mal richtig "physikalisch" an, einfache aber entspannte Arbeit, ca. 3 Wochen
- Leitstelle, selbsterklärend, 1 Monat (+ 1 Monat nochmals am Ende der Ausbildung)
- Werkstatt, definitiv nicht meine Welt, aber durchaus eine Erfahrung wert, bei mir: 1 Monat.
- Diverse kleine Abteilungen wie Rechtsabteilung, Schadensabteilung, Werkstattlager uvm.
- jetzt ca. ein Jahr (von drei Lehrjahren insgesamt!) in den Fahrdienst
- ...
Sehr gut hat es mir in der Fahrplanabteilung gefallen, da ich großes Glück mit den Kollegen hatte die mir ermöglichten meine eigenen Ideen einzubringen, vorzustellen (sowohl innerbetrieblich als auch bei den Kommunen) und schließlich auch unterzubringen. Aufgrund von kleineren Umstellungen musste eine kleinere Nachbarstadt mit einer Hand voll Linien neu verplant werden. Da ich mich in dieser Stadt zufällig recht gut auskannte, machte ich mich ran ein komplett neues Schwachlastkonzept für diese Stadt zu erarbeiten. Am Ende der Zeit in dieser Abteilung hatte ich dann eine komplett neue Linie entwickelt und ausgearbeitet (inkl. Umlaufplänen etc) welche seit letztem Fahrplanwechsel nun sogar tatsächlich verkehrt, genauso wie ich es vorgesehen hatte. Bei sämtlichen Terminen außerorts und innerhalb der Firma war ich dabei, habe den Verantwortungsträgern zusammen mit meinen Kollegen das neue Konzept (welche eine neue Linie sowohl als auch kleinere Änderungen in bestehenden Linien umfasste) vorgestellt. Und habe das Projekt über ein halbes Jahr begleitet, von der ersten Idee bis zum Aufkleben und Aufstellen der neuen Haltestellenmasten im Haltestellendienst. Schlussendlich hatte man das Konzept 1:1 übernommen wie vom Azubi vorgeschlagen, was einen dann schon etwas Stolz macht.
Die vielen Abteilungen und teilweise sehr schnellen Wechsel haben sowohl vor als auch Nachteile. Man hat alles mal gemacht, man kann "alles" - aber nichts "richtig". Man lernt sehr viele neue Leute kennen, und kennt auch später nahezu alle Kollegen im Betrieb, weiß ganz genau was jeder einzelne macht und begreift auch die Zusammenhänge fließend. Dadurch lernt man selbstverständlich auch viele neue Freunde kennen. Im Gegenzug ist es aber auch eine enorme psychische Belastung und Herausforderung sich manchmal alle paar Tage auf komplett neue Kollegen einzustellen und neu einzufühlen. Man muss jedes mal erstmal abchecken "wie die Leute ticken" und sich langsam integrieren, was zeitweise wirklich anstrengend ist und man sich gelegentlich etwas mehr Kontinuität wünscht statt mancher Abteilungswechsel die zeitweise sogar im 2 oder 3-Tage Rhythmus kommen.
Letzten Monat habe ich meinen Busführerschein gemacht und konnte jetzt bereits ein paar Testfahrten (natürlich Leerfahrten) in meiner Heimatstadt machen, und ich bleibe dabei: Das Fahren ansich macht unheimlich Spaß, v.a. wenn man wieviele aus diesem Forum (so auch ich, natürlich^^) schon seit frühen Jahren "heiß" aufs Fahren sind. Diese Woche befinde ich mich in einer 5-Tägigen Tarif- und Fahrerschulung wo ich nun das letzte nötige Grundwerkzeug für meinen Fahrdienst erlerne.
Nächste Woche Montag wirds spannend, um 6:03 Uhr werde ich das erste mal den Betriebshof mit einem Linienbus verlassen und dann tatsächlich auch auf Linie einsetzen. Den ersten Tag geht es noch mit dem 12m Solowagen auf die Reise, den nächsten Tag bereits mit dem Gelenkbus. Ich denke, ich werde dann auf jeden Fall bericht erstatten, und vielleicht sogar das ein oder andere Foto zeigen. Traditionellerweise haben unsere FiFs immer an den Tagen mit dem meisten Schnee hier im Bergischem angefangen, so wie es scheint, stehen die Chancen nicht schlecht das auch meine parallel laufende Kollegin und ich auch nicht davon ausgenommen sind. Wäre auch zu schön gewesen, Schnee am ersten Tag, muss nicht sooooo unbedingt sein
Denn trotz unzähligen Fahrstunden in OMSI, trotz 4 Jahre Führerscheinbesitz als "Vielfahrer": Man ist und bleibt Fahranfänger auf dem Bus, was man wirklich nicht unterschätzen sollte. Und das merkt man selbst auch. Das Fahren in OMSI ist in weiten Strecken schon recht realistisch - aber lang nicht so Fordernd wie in der Realität. Denn der Unterschied zwischen realem Bus und OMSI ist größer als so manch einer zu glauben vermag.
Was die Aufstiegschancen anbelangt sehe ich den FiF mit gemischten Gefühlen. Es kommt stark darauf an, bei welcher Firma man die Ausbildung absolviert. Viele große Gesellschaften im Ruhrgebiet "züchten" sich massenweise Fahrernachwuchs an. Diese sieben auch nacher ganz gehörig aus. Diese stellen Ihre Fachkräfte nacher auch oft nur in Schwesterfirmen ein, welche deutlich schlechter bezahlen und wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen haben, und dementsprechend auch nur Fahrer nach der Ausbildung sind. Bei mir in der Firma hieß es offiziell: Nach der Ausbildung zwei Jahre fahren, danach kann man sich auf alle innerbetrieblichen Kaufmännisch ausgeschriebenen Stellen bewerben. Man munkelt aber bei uns das zwei FiFs (ingesamt hat mein Betrieb bis jetzt erst 5 FiF's ingesamt gehabt, inklusive mir und meiner Kollegin) von denen einer ein halbes Jahr fertig ist und der andere Unmittelbar vor seiner Abschlussprüfung steht bereits ab Februar auf zwei Stellen im Büro verteilt werden und dann noch fahren "wenn Not am Mann ist".
Ich hoffe ich konnte euch einen kleinen Einblick in den Ausbildungsalltag des FiFs geben und ihr fühlt euch jetzt nicht mit meiner ausführlichen Textwüste erschlagen
Das der Beruf und auch das Fahren nicht immer schön ist, ist selbstverständlich. Ich jedenfalls freue mich wie ein Keks und hab so manche Nacht schon vor lauter Vorfreude Probleme einzuschlafen. Wie auch, wenn man darauf seit 16 Jahren drauf hinfiebert, ich denke vielen von euch wird es ähnlich gehen
PS: Bei uns beträgt die Mindestgröße 1,60m